25. Mai 2012 | 13:00 Uhr

Swantje Tobiassen leitet das Projekt „Region in Aktion – Kommunikation im ländlichen Raum‟ der Amadeu Antonio Stiftung. Sie wuchs in einem kleinen Ort an der Nordsee auf, war aber als Kind schon regelmäßig in den Ferien in Ostdeutschland. Am Tour-Stopp Zossen zeigt sie uns mit Skatern die Stadt.

Was für ein Projekt ist „Region in Aktion‟?

Das Projekt will mit Mitteln der darstellenden Kunst herausfinden, wie Menschen in ländlichen Regionen miteinander kommunizieren, die demokratische Kultur vor Ort stärken und zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützen. In Zossen kooperieren wir mit der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht‟ und im vorpommerschen Fahrenwalde mit dem Verein Schloss Bröllin. Vor 20 Jahren haben sich dort Künstler niedergelassen und einen Ort für Begegnungen, Theater- und Kunstprojekte geschaffen. Außerdem arbeiten wir mit Schauspielern von „The Working Party‟ aus Berlin zusammen, künstlerischer Leiter und Regisseur ist Benno Plassmann.

Und Ihr bekämpft Rechtsextremismus …

Vor allem geht es darum, Leute miteinander ins Gespräch zu bringen. Und wir wollen eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung schaffen. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt im Kampf gegen Rechts. Als wir angefangen haben, in den Regionen zu arbeiten, haben wir Initiativen eingeladen und hatten wahnsinnig viel Zulauf. Wir wollen demokratisches Engagement sichtbar machen. Um das auch medial zu verbreiten, wird es im Nordkurier in Zukunft die Serie „Helden der Region“ geben. Initiativen wie die 3te Generation Ostdeutschland stehen für mich für eine Generation, die sich neugierig und kritisch mit ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinandersetzt und ihre Rolle in der demokratischen Gestaltung der Gesellschaft wahrnimmt. So können Nazis am sinnvollsten bekämpft werden.

Und wie kommt „The Working Party‟ ins Spiel?

Zum Beispiel bei der Aktion „held/in_dorf‟. Benno Plassmann hatte die Idee, den von Neonazis besetzten Begriff „Held‟ wieder neu aufzuladen. Wir befragen Leute zu ihren Helden, um zu erfahren, welche Menschen in ihrer Umgebung Bemerkenswertes leisten. Die Interviews nehmen wir auf und Schauspieler nutzen sie als Vorlage für kurze Theaterszenen. Am 7. und 8. September laden wir Beteiligte und Interessierte zu einer Busfahrt durch die Region ein. Im Bus hören wir eine Audiomontage der Interviews. Dann halten wir an verschiedenen Stationen, wo die Schauspieler die Geschichten in Szene setzen und Initiativen ihre Arbeit vorstellen. So verbreiten sich die Heldengeschichten schnell und die Kommunikation untereinander kommt in Gang.

Was erwartet uns in Zossen?

Hortkinder zeigen uns die Bunker- und Bücherstadt und wir treffen uns mit den Zossener Skatern. Sie zeigen uns die Stadt aus ihrer Perspektive, erklären, was ihnen wichtig ist, und wie sie sich für ihre Leidenschaft einsetzen. Etwa mit einer Skatebahn, für die sie Verhandlungen mit der Stadt geführt und Spenden gesammelt haben. Inzwischen ist sie Anlaufpunkt für viele Jugendliche, die teilweise extra aus 30 Kilometern Entfernung nach Zossen fahren. Wir unterstützen Subkulturen wie die der Skater, um darüber Subkulturen wie die der Nazis zu schwächen.

Du kommst aus Nordwestdeutschland und verbringst gerade viel Zeit im Osten. Wie siehst Du die dritte Generation Ostdeutscher?

Als Kind bin ich mehrmals im Jahr mit meiner Familie nach Brandenburg gefahren, um mit Freunden die Ferien zu verbringen. Meine Eltern und die anderen Familien wollten den Ost-West-Austausch stärken und demokratische Bewegungen unterstützen. Als die Mauer fiel, war ich sieben, mit der DDR verbinden mich meine lebhaftesten Kindheitserinnerungen. Mein Freund ist Brandenburger und ich fahre auch privat nach wie vor oft in die Region. Ich fühle mich sehr mit der 3ten Generation Ost verbunden.

Du bist viel im Osten unterwegs, sind Phänomene wie Abwanderung für Dich im Alltag sichtbar?

In Mecklenburg-Vorpommern stehen viele Gebäude leer und auf den Straßen begegnen einem nur wenige Menschen. Zossen hingegen freut sich über jede Menge Zuzug. Die Stadt erhebt den geringstmöglichen Gewerbesteuerhebesatz, deswegen ist es hier besonders lukrativ, Unternehmen zu gründen. Der wunderschöne Marktplatz ist trotzdem meistens recht leer. Der Stadtteil Dabendorf zieht viele Menschen an, die zum Beispiel in Berlin arbeiten, aber im Grünen leben wollen. Auch nach Mecklenburg-Vorpommern ziehen Leute, vor allem viele Künstler und junge Familien aus Polen, die in Stettin arbeiten und in der Grenzregion auf deutscher Seite leben. Das birgt wahnsinniges Potenzial für die Region.

Illustration: Alexander Fromm, Interview: Sabine Weier