3. Juni 2012 | 11:03 Uhr
Mit Rostocker und Lübzer Pils, Würstchen vom Biohof Medewege auf dem Grill und Eroberungslaune stimmen wir uns am ersten Abend in Schwerin auf die dritte Generation in der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns ein. Und die begeistert restlos, selbst Adriana Lettrari. Die gebürtige Rostockerin erzählt uns von der Fehde zwischen ihrer Heimatstadt an der Küste und Schwerin, und davon, wie sie sich in den sechs Monaten, in denen sie hier arbeitete und lebte, dann doch überzeugen ließ: Schwerin verdient den Hauptstadtstatus.
Bei einem spontanen Nachtspaziergang durch die Pflastersteingassen entdecken wir im Licht der Straßenlaternen wunderschöne historische Fassaden, das malerische Seeufer mit Segelboten und das beeindruckende Schloss, Sitz der Landesregierung. Einige erinnert es an „Dis-nee“. Und als wir die Türen des Doms öffnen und in dem imposanten Bau ein fast 100 Köpfe starker Chor Bach singt, sind wir hin und weg.
Guter Dinge entern wir am nächsten Morgen das Ministerium für Gleichstellung, Arbeit und Soziales. Manuela Schwesig thront dort und hat uns zu einem Hintergrundgespräch eingeladen. Als wir die Ziele der 3ten Generation Ost vorstellen wird klar: Mit Manuela Schwesig, Jahrgang 1974, haben wir eine Mitstreiterin im Boot. Sie erzählt uns von ihren Erfahrungen als Wendekind, davon, wie sie die Umbrüche erlebt hat, auf sich gestellt, ohne Unterstützung durch Eltern, die ja selbst erstmal mit einem neuen System klarkommen mussten. Beim gemeinsamen Brunch mit der dritten Generation Schweriner sagt sie noch mal: „Die Erfahrungen dieser Generation sind wertvoll, wir müssen jetzt etwas daraus machen!“
Hier ist was los!
Wir tauschen uns mit vielen jungen Menschen aus und hören: In Schwerin ist richtig was los, zum Beispiel im Club Zenit oder im Achteck, einige von uns probieren noch am Abend den berüchtigten Freischütz aus, eine Traditionskneipe am Ziegenmarkt. Demnächst soll auch ein selbstorganisiertes Festival mit elektronischer Musik starten. Hört sich doch gut an, oder? Viele aus der dritten Generation verlassen die Stadt trotzdem, und auch hier liegt das vor allem an den fehlenden Job-Perspektiven, einzig die Call-Center-Branche boomt scheinbar in ganz Ostdeutschland – auch in Schwerin hören wir davon.
In verschiedenen Workshops am Nachmittag entwickeln wir Ideen für die Zukunft, planen Netzwerkgruppen der 3ten Generation Ost in Mecklenburg-Vorpommern, sprechen über die Aufbruchstimmung in der Gegenwart und mit Martin Klähn über die nach dem Mauerfall. Er gründete damals das Neue Forum mit, hatte sich schon in den intensiven Monaten zuvor in der Bürgerrechtsbewegung engagiert, und erzählt uns von seiner ersten Reaktion: „Scheiße, die Mauer ist weg!“ und von enttäuschten Hoffnungen. Und so kommt die Frage auf: Was sind unsere Visionen? Ideen haben wir, vor allem kommt es jetzt aber darauf an, Stimmen und Gefühle einzufangen. Auf der Bustour und auch sonst, raus damit!
Schwerin und Manuela Schwesig haben wir im Sturm erobert. Wir lassen Mecklenburg-Vorpommern hinter uns und sind wieder on the Road. Auf nach Zossen Genossen!
Fotos und Text: Sabine Weier