28. Mai 2012 | 18:23 Uhr

 

Bildungsaktivist Sebastian Hirsch beschäftigt sich damit, wie sich Lernen und Wissen im digitalen Zeitalter verändern, und betreut Projekte wie das „Education Innovation Lab“ an der Humboldt-Viadrina School of Governance. Mit praktischen Ideen kämpft er gegen Ungerechtigkeit im Bildungssystem und für Chancengleichheit – ein gesamtdeutsches Anliegen. Für die Tour 2012 der 3ten Generation Ost hat er in seiner Heimatstadt Schwedt einiges auf die Beine gestellt.

Du hast für den ersten Tourstopp in Schwedt die Diskussion „Teil der Lösung!“ initiiert, was erwartet uns?

Fachkräftemangel und bürgerschaftliches Engagement sind ja auf der gesamten Tour Thema. Schwedt steht in vielerlei Hinsicht exemplarisch für Entwicklungen in Ostdeutschland. Ein ganz heißes Thema ist dort gerade die Schließung der Kinderklinik, eine kleine Katastrophe für Familien. Ein Arzt ist weggegangen, ein anderer krank geworden – Ersatz konnte nicht gefunden werden. Das wird sicher für eine rege Diskussion sorgen. Auch Vertreter von PCK sind dabei, die Erdöl-Raffinerie ist der größte Arbeitgeber in der Region und hat ein Team für die Standortentwicklung eingesetzt. Heute arbeiten noch rund 3.000 Menschen dort, das waren mal sehr viel mehr. Auch meine Eltern haben dort gearbeitet.

In Schwedt passiert viel, scheinbar mehr als in anderen Städten. Für die Initiative „Sag ja zu Schwedt“ wurde ein Berliner Kreativteam engagiert. Sally Below von der Agentur Cultural Affairs und Dimitri Hegemann, der in Berlin den Techno-Club Tresor gegründet hat, sollen die Stadt „cooler“ machen. Das ist schon etwas Besonderes, oder?

Ja, vor allem, weil das Projekt von der Stadt beauftragt ist. Schwedt kann mit seinen Herausforderungen beispielhaft für Städte wie zum Beispiel Hoyerswerda stehen. Viele junge Leute sind weggegangen, der demografische Wandel passiert im Zeitraffer, die Stadt vergreist. Die Hälfte der Belegschaft bei PCK wird in den nächsten 15 Jahren in Rente gehen, da steht der Fachkräftemangel schon vor der Tür. Auch Pflegekräfte werden dann sicher gesucht. Auf der Tour und anderen Veranstaltungen der 3ten Generation Ost wollen wir mit Politikern und den Engagierten der Region ins Gespräch kommen und gemeinsam Lösungsansätze entwickeln.

Aber auch ganz junge Menschen werden am ersten Tourtag schon mitreden, bei einem Schulworkshop.

Ja. An meiner alten Schule, dem Gauß-Gymnasium, gestalten wir einen Schulworkshop mit der „vierten Generation“ bei meiner alten Lehrerin für Politische Bildung. Mit Paula Altland ist auch eine Westdeutsche mit von der Partie. Sie kommt aus Düsseldorf hat in Berlin studiert und ist fürs Referendariat nach Schwedt gekommen. Anfangs war sie skeptisch, aber mittlerweile ist sie gut integriert.

In diesem Programm steckt auch ein Stück Deiner eigenen Biografie. Du bist Jahrgang 1983 und Teil der dritten Generation Ost. Haben Dich Deine Erfahrungen als Wendekind geprägt?

Das möchte ich mal ganz nüchtern beschreiben. Nach der Wende gab es in Schwedt 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Als junger Mensch hatte man da ein ziemlich düsteres Zukunftsbild vor Augen. Da war schnell klar: Hier kannst und willst du nicht bleiben. Mal schauen, wo es hingeht. Mein Bruder ist zum Beispiel zum Studium in Berlin gelandet und hat dann einen Job in Freiburg bekommen. Aus meiner früheren Klasse gibt es wirklich nur eine Hand voll Dagebliebener. Ich habe in Bremen studiert, nach einer Weile in Schwedt bin ich jetzt gerade wieder nach Berlin gezogen.

Illustration: Alexander Fromm, Interview: Sabine Weier