30 Jahre Deutsche Einheit – ein neues Narrativ für Ostdeutschland

Unser Statement

Viel wird derzeit produziert und geschrieben mit Blick auf die 30. Jährung der Deutschen Wiedervereinigung. Es ist die Zeit der massiven temporären Sichtbarkeit Ostdeutschlands in deutschen Medien. Was wurde erreicht? Was ist gelungen, was nicht? Gibt es eine Spaltung und wenn ja, wer spaltet? Und, in Anlehnung an Worte der Kanzlerin: Warum wächst nicht schneller zusammen, was doch zusammen gehört?

Wir, das Netzwerk 3te Generation Ostdeutschland, wollen in diesem Jahr andere Fragen stellen und an ganz spezifischen Lösungen arbeiten. Auch wir feiern in diesem Jahr unser Jubiläum – es gibt das Netzwerk nun seit 10 Jahren. Wir haben in dieser Zeit den Diskurs über Ostdeutschland und mit den Wendekindern entscheidend mitgestalten können. Darüber sind wir froh. Wir konnten Bewusstsein und Interesse bei Medien und politischen Entscheidungsträger*innen für Biografien, Lebenswelten, Perspektiven und Wünschen von Wendekindern schaffen. Gleichzeitig haben wir mit dutzenden Events, wissenschaftlichen und journalistischen Publikationen Wendekindern ermöglicht, ihre Biografien zu durchdringen und mit ihrer Stimme sichtbar zu werden. Nur wer sichtbar ist, wird auch gehört.

Wir sind 30 Jahre nach der Wiedervereinigung an dem Punkt, an dem wir über Macht und Einfluss sprechen wollen. Die größte Herausforderung zum Überkommen der Trennlinie Ost-West ist eine ökonomische. Solange wir keine Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen ostdeutschen und westdeutschen Bundesländern beobachten können, solange Führungs- und Gestaltungspositionen weiterhin eklatant homogen, sprich westdeutsch, männlich, weiß besetzt werden, solange strukturelle Barrieren für ökonomische Sicherheit und politische Mitbestimmung nicht gebrochen werden, solange werden wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt kaum stärken können. Und doch ist es das, was sich nicht nur 70% aller Menschen in unserem Land wünschen, es ist auch vital für die Zukunft der liberalen Demokratie.

Wir wissen heute und haben wissenschaftlich herausgearbeitet, dass Wendekinder Fähigkeiten besitzen, die es ihnen erleichtern mit Unsicherheit, Beschleunigung und fahren auf Sicht umzugehen. Die sie in unübersichtlichen Situationen mit wenig Zugriff auf gesicherte Informationen pragmatisch, fokussiert und handlungsorientiert arbeiten lassen. Diese Transformationskompetenz, die sie als Kinder erwarben, als sie zwei Systeme navigierten, ist eine der wichtigsten ungehobenen Ressourcen für Deutschlands und Europas Zukunft.

Deshalb wollen wir die Einheitsfeierlichkeiten dieses Jahr nutzen und ein neues Narrativ für und aus Ostdeutschland vorschlagen. Wir entziehen uns dem ewigen Vergleich an der westdeutschen Norm. Die Zahlen sind bekannt, sie sind übel und doch hat ihre Erhebung und ihr Vorbringen vor zumeist westdeutschen Eliten kaum etwas geändert. 1.7% alle Führungspositionen in Deutschland sind mit Ostdeutschen besetzt. Weitere Zahlen von uns aufbereitet finden Sie hier.

Wenn Sie Deutschland Zukunft wirklich ernst nehmen und bereits Teil der Lösung sind, dann kennen Sie die Zahlen, dann arbeiten Sie bereits in Ihren jeweiligen Organisationen und Wirkungsfeldern auf Diversität und Inklusion hin, Sie planen systemische Veränderungen in wirtschaftlichem und politischem Handeln, stehen auf und zusammen gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus und bringen sich ein für die globale generationsübergreifende Aufgabe, den Klimawandel aufzuhalten. Wunderbar, Sie wissen uns an Ihrer Seite. Pragmatisch, loyal, solidarisch.

Unser Narrativ für Ostdeutschland ist…

Die Frage ist nicht, in welchem Jahr wir endlich nicht mehr über Ost und West sprechen müssen. Die Frage ist, wann wir endlich umfassende Maßnahmen umsetzen, um strukturelle Ungerechtigkeit im Land zu beseitigen und eine offene Gesellschaft schaffen.