5. Juni 2012 | 15:56 Uhr

 

Als Dezernentin für Stadtentwicklung gestaltet Katrin Schwarz Jena mit, eine der aufstrebenden Städte in Ostdeutschland. Wie können wir von Jena lernen? Dieser Frage geht die Podiumsdiskussion am 6. Juni 2012 nach, wenn der Bus der 3ten Generation Ost Station an der Saale macht. Im Interview gibt Katrin Schwarz schon mal Einblicke in ihre Arbeit, die Entwicklung der Stadt und ihre persönliche Sicht auf die dritte Generation Ostdeutscher.

Sie sind Jahrgang 1972, waren also noch recht jung, als die Mauer fiel. Die Initiative 3te Generation Ost setzt sich damit auseinander, wie die Sozialisierung in zwei Systemen Menschen geprägt hat. Wie denken Sie darüber?

Beide Systeme erlebt zu haben, empfinde ich als Vorteil. Möglicherweise sind wir mit den ganz großen Visionen nicht mehr ganz so leicht einzufangen. Wir sind pragmatisch und zielstrebig – das erlebe ich auch viel im Freundeskreis. Es ist schon eine einmalige Situation für ein Land, eine Generation zu haben, die beide Erfahrungen mitbringt. Ich begrüße es sehr, dass wir jetzt anfangen, das zu diskutieren. Für mich hat die Initiative nichts damit zu tun, alte Klischees wieder aufzuwärmen. Das wäre fatal. Aber man kann diese Generationserfahrung – geboren in der DDR und aufgewachsen in der Bundesrepublik – durchaus nutzen, um auch Fragen an die eigene Elterngeneration zu formulieren.

Was würden Sie in den Diskurs über die dritte Generation einbringen?

Ganz klar einen Aufruf zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Unsere Generation muss erwachsen werden und klar formulieren, was sie will. Wie stellen wir uns Partizipation vor? Was für ein Politikverständnis haben wir? Wie wollen wir an diesen Prozessen teilhaben? Und gerade in meinem Bereich der Stadtentwicklung: Welche Wohnformen wollen wir? Wie stehen wir zur Frage der Wohneigentumsbildung? Das sind Themen, die mich beruflich beschäftigen. Und ganz privat habe ich mir natürlich schon die Frage gestellt, ob ich wieder zurückkommen soll. Ich bin in Jena aufgewachsen, war dann aber viele Jahre unterwegs, habe Architektur am Bauhaus Weimar studiert, meinen Master in Oxford gemacht und in Frankfurt am Main mein zweites Staatsexamen im Städtebau für den höheren Dienst abgelegt. Das sind Erfahrungen, die mich persönlich stark geprägt haben.

Und wie war es dann, nach Jena zurückzukommen?

Es war nicht ganz einfach, aber die Dynamik, die wir hier in der Stadt haben, macht vieles sehr interessant. Es geht ja vor allem darum, neue Wege auszuprobieren. Jena ist eine alte gewachsene Stadt mit einer hohen Akademikerquote, das war schon immer so. Auch die hier entstandenen Industrietraditionen, etwa Schott, Zeiss und Jenoptik und heute eben auch e-Commerce-Firmen und der ganze Bereich der Biotechnologie. Dadurch sind bestimmte Wege vorgezeichnet, wie auch durch die große Universitätstradition. Wir leben ganz maßgeblich von dieser Substanz. Hier knüpfen wir an, aber dies reicht natürlich nicht. Im Vergleich zu anderen ostdeutschen Kommunen verzeichnen wir hier auch ein leichtes Bevölkerungswachstum. Die Universität entwickelt sich toll und wächst, in den kommenden Jahren wollen wir gemeinsam mit der Universität einen neuen Campus bauen.

Woran liegt es, dass so viele junge Menschen sich für ein Studium in Jena entscheiden?

Auf der einen Seite liegt das natürlich an dem hochwertigen Angebot der Universität. Und die Lebensverhältnisse sind hier sehr angenehm. Es ist nicht Berlin oder München, die Stadt ist überschaubar, das kann gerade für Studierende sehr von Vorteil sein. Dazu kommt die florierende Gründerszene. Viele Errungenschaften der Forschung münden direkt in kleinen Start Ups. Dafür ist das Klima hier sehr gut und wir als Stadt tun auch eine ganz Menge dafür, dass es sich so weiterentwickelt.

Welche Herausforderungen kommen in den nächsten Jahren auf Jena zu?

In meinem Arbeitsgebiet sind wir vor allem mit Herausforderungen im Bereich Wohnungsbau konfrontiert. Wir sind eine wachsende Stadt, haben aber nicht viel Fläche, gerade entwickeln wir Konzepte, um dem zu begegnen. Ein spannendes Objekt mit Wohnraum und Läden setzen wir jetzt mit „J. Mayer H.“ um, das ist ein sehr renommiertes Architekturbüro. Die Fassadengestaltung wird spektakulär, das hatten wir hier in Jena noch nicht. Wir beschäftigen uns gerade auch mit dem Thema Eigentumsbildung – das könnte für die Weiterentwicklung des Standortes noch sehr wichtig sein. Gerade im Vergleich zu vielen westdeutschen Kommunen haben wir hier Nachholbedarf. Eine wichtige Frage ist auch, ob es gelingt, Fachkräfte mit ihren Familien zu halten oder anzuwerben. Auch an Jena geht der demografische Wandel nicht spurlos vorbei. Letztlich geht es um ein friedliches Zusammenleben aller Generationen.

Illustration: Alexander Fromm, Interview: Sabine Weier