5. Juni 2012 | 15:30 Uhr

 

Ob sich eine Rockband wohl auch so fühlt? Das fragen wir uns nach sechs Tagen im Bus. Ausreichend Presse ist jedenfalls an Board. Neben Ulrike Nimz von der Freien Presse, die ganze acht Tage mitzieht und regelmäßig berichtet, sitzt mal jemand von Zeit Online mit am Tisch, mal eine Spiegel-Reporterin mit im Bus. Eine junge Journalistin der FAS kommt gleich mit Schlafsack nach Bautzen und übernachtet mit uns in Mittelherwigsdorf und in Pobershau – zwei Orte abseits der ostdeutschen Zentren, in denen sich trotzdem einiges tut.

In Zossen gießt es in Strömen, als wir uns mit Swantje Tobiassen von der Amadeu Antonio Stiftung und den Skatern der Stadt treffen. Sie zeigen uns selbstgebaute Mini-Skateparks in abgelegenen Winkeln, den Lidl-Parkplatz, auf dem sie ihre ersten Versuche starteten und die große Profi-Rampe, die sie mithilfe gesammelter Gelder aufziehen konnten – Hut ab! Nach einem Austausch mit den Initiativen vor Ort, einem Besuch in der Bücher-und Bunkerstadt, einer urigen Übernachtung und Frühstück im Keglerheim verlassen wir Neubrandenburg in Richtung Sachsen.

Nachdem wir uns in Bautzen das Kulturzentrum Steinhaus angeschaut haben, teilt sich die Gruppe. Sven Riesel führt eine Hälfte durch den ehemaligen Stasiknast, die andere Hälfte trinkt starken Kaffee im Büro von Clemens Škoda und spricht über sorbische Metalbands und weltweites Netzwerken. Noch am Nachmittag schlängelt sich unser Busfahrer Jens Försterling, dem wir an dieser Stelle mal ein dickes Danke aussprechen, mit uns durch die absurd schmalen Straßen der Oberlausitz und bringt uns sicher zur Kulturfabrik Meda, die eine Gruppe von Leuten aus ganz Deutschland in ihrer Wahlheimat Mittelherwigsdorf betreibt.

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Das „neue Selbstbewusstsein Ost“

Mit über 30 Gästen aus Orten wie Görlitz oder Zittau diskutieren wir in den wunderschönen Räumen der Kulturfabrik Meda über die Visionen der dritten Generation in der Region. Dabei geht es auch mal etwas kontroverser zu und das ist gut, schließlich sind wir auch unterwegs, um eine Debatte zu entfachen. Und um Ideen und Tipps einzusammeln, wie den zum Buch „Phase 0 – How to make some action“, in dem Macher aus der dritten Generation Projekte wie Festivals oder Clubs vorstellen. Beim Grillen am Abend kommt wieder ein Gefühl auf, das in den vergangenen Tagen schon viele geschildert haben: Das „neue Selbstbewusstsein Ost“ einer Generation, die ihren Weg selbstständig geht und etwas bewegen will.

Am nächsten Morgen, viel früher als Rockbands losfahren würden, geht’s weiter nach Löbau, wo wir uns das Haus Schminke anschauen – eine echte Architektur-Perle. Der Löbauer Nudelfabrikant Fritz Schminke ließ es in den 1930er Jahren von Hans Scharoun entwerfen. Es gießt immer noch. Aber die Atmosphäre hier ist ohnehin so angenehm, dass wir uns für ein paar Stunden einnisten, Pizza bestellen, netzwerken, schreiben. Johannes Staemmler haut währenddessen in die Tasten des Klaviers, an dem früher eine der Schminke-Töchter spielte. Als sein Blues durch die moderne Wohnlounge hallt, stellt sich noch mal das Rockstar-Feeling ein. Und dann geht’s weiter in Richtung Pobershau.

Fotos & Text: Sabine Weier