Mit Nachgemacht – Spielekopien aus der DDR etablierten Michael Geithner und Martin Thiele ein multimediales Projekt zur Aufarbeitung der deutsch-deutschen Spiele- und Kulturgeschichte und bauten die größte private Sammlung handgefertigter Brett- und Kartenspiele der DDR auf. Dabei gelang es ihnen sowohl ein kleines Stück Alltagsgeschichte zu dokumentieren, als auch zum Dialog zwischen den Generationen anzuregen.

FOTOS: M. Thiele, M. GeithnerNachgemacht begann mit Erinnerungen. Martin Thiele und Michael Geithner erinnerten sich, dass es in ihren Familien handgefertigte Gesellschaftsspiele gab. Mit der Bestrebung diese Relikte der Vergangenheit zu ergründen, begann eine regelrechte Schatzsuche. Sie bauten eine Sammlung von über 175 Gesellschaftsspielen auf, wobei es sich sowohl um originalgetreue Kopien von Westspielen, als auch um eigene, kreativ abgewandelte Versionen handelte, die nach individueller Vorliebe und Gesinnung gestaltet wurden.

Neben den Spieleunikaten selbst umfasst die Sammlung zahlreiche historische Dokumente und umfangreiches Video- und Audiomaterial was im Gespräch mit den Zeitzeug*innen entstanden ist. Diese Exponate zeigen Geithner und Thiele online auf www.nachgemacht.de sowie auf einer Wanderausstellung welche bislang in Potsdam, Dresden und Chemnitz zu sehen war.

Bei Nachgemacht ging es stets um mehr, als bloß Spiele zur Schau zu stellen. Vielmehr verfolgten die Initiatoren stets die Absicht ein Stück Alltagsgeschichte zu ergründen. Aus welchem Grund wurde ein Spiel nachgemacht, woher kam die Vorlage, wie entstand es und gab es sogar politische Implikationen?

Die Antworten auf diese Fragen geben Aufschluss über eine Zeit, die den Initiatoren des Projekts nur vage in Erinnerung ist. Mit den Bastler*innen der Spiele in Dialog zu treten und verschiedene Generationen auf völlig neuem Wege zusammen zu bringen, ist eine wesentliche Motivation des Projekts. Dabei werden ganz private, spannende, witzige und teilweise erschütternde Geschichten ans Tageslicht gebracht und dokumentiert. Die Spiele geben hierfür einen unkomplizierten und zugleich ganz dinglichen Zugang.

Eine Vielzahl dieser Geschichten veröffentlichten Geithner und Thiele 2013 in ihrer Publikation Nachgemacht – Spielekopien aus der DDR, die beim DDR Museum Verlag erschienen ist. Das Buch umfasst Interviews mit Zeitzeug*innen, eine Vielzahl von einmaligen Fotos und historischen Dokumenten, aber auch Beiträge renommierter Autor*innen, die das Phänomen kulturhistorisch einordnen.

Zudem legten Thiele und Geithner mit Ligato ein wenig bekanntes Spiel aus der DDR im Rahmen ihres Projekts neu als iPad App auf und brachten damit Interessierten ein Stück Zeitgeschichte näher. Die kostenlose App Ligato beruht auf einem Brettspiel, das vor fast 30 Jahren erfunden, aufgrund der turbulenten Wendezeit aber nie produziert wurde und jetzt erstmals das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Das entfernt an Backgammon oder Reversi erinnernde Strategiespiel ist durchgängig im flachen, kontrastreichen Comic-Stil gehalten und überzeugt neben der opulenten Grafik mit einem epischen Soundtrack. Weitere Informationen zu diesem einzigartigen Stück Spielegeschichte finden sich auf www.ligato-app.com

 

Wichtigster Meilenstein im bisherigen Projektverlauf ist die Neuauflage von Bürokratopoly, welche mit einem professionellen Team und zahlreichen Unterstützer*innen realisiert werden konnte. Dieses Gesellschaftsspiel des Friedensaktivisten Dr. Martin Böttger war zugleich Karikatur und Tagebuch und kursierte in den 1980er Jahren in der Friedensbewegung und den Studentenkreisen der DDR. Geithner und Thiele optimierten das Lernspiel für aktuelle Generationen um ihnen ein Stück Zeitgeschichte im Rahmen des Schulunterrichts zu vermitteln.