FOTO: Ronny Keller

Generationstreffen 2011

Die Dritte Generation Ostdeutschland trifft sich zum ersten Mal!

8.-10. Juli 2011 im Collegium Hungaricum Berlin

Bei unserem ersten Generationstreffen ging es uns schlicht darum, die Debatte über Ostdeutschland mit denen zu führen, die dazu etwas zu sagen haben – nämlich wir alle! Mit dem Treffen legten wir den Grundstein für unser Netzwerk - ein Netzwerk für Austausch und aktive Zukunftsgestaltung.

Im ersten Teil des Generationstreffens wollten wir wissen, warum ein Austausch über und mit der dritten Generation Ost überhaupt relevant ist. Später widmeten wir uns Zukunftsbildern von Ostdeutschland und fragten uns, wie unser Beitrag als dritte Generation für ein zukunftsfähiges Ostdeutschland aussehen kann. Und schließlich stellten wir verschiedene Anlaufstellen und Strukturen vor, die es ermöglichen sich persönlich für ostdeutsche Regionen oder Kommunen einzubringen.

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Programmablauf Samstag

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FOTO: Ronny Keller

Generationstreffen 2012

Umbruchserfahrungen und ihre Potentiale heute

Das zweite Generationstreffen der Dritten fand am Samstag, dem 24. November 2012, im Collegium Hungaricum Berlin statt.

Nach dem motivierenden Treffen im Sommer letzten Jahres wollten wir erneut einen Raum für Austausch und Begegnung innerhalb und mit der Dritten Generation Ost schaffen. Diesmal stand das Verhältnis zwischen der 2ten und 3ten Generation Ost im Mittelpunkt. Inwiefern haben uns die Erfahrungen und Ansichten dieser 2ten Generation, die die Wende im Erwachsenenalter erlebte, geprägt und beeinflusst? Wie ist unser Verhältnis zu dieser Generation heute? Distanziert, emanzipiert, solidarisch? Welche Brüche und Kontinuitäten gibt es dabei? Welche Fragen haben wir an die Zweite Generation? Welche Forderungen? Und, wie wollen wir den Dialog zwischen den Generationen in Zukunft gestalten?

All diesen Fragen gingen wir in Vorträgen, Workshops und einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der Zweiten Generation nach. Und natürlich wurde am Abend wieder gefeiert! Die Dritte Generation Ost ist in ganz Deutschland und darüber hinaus verteilt. Diese Vielfalt hat sich auf dem Generationstreffen widergespiegelt.

Das Programm: 

Collegium Hungaricum Berlin (CHB), Dorotheenstraße 12

9.30 – 10.00   Ankommen

10.00 – 10.30  Auftakt: Begrüßung und Grußwortinterviews
- Dr. Anna Kaminsky (Stiftung Aufarbeitung),
- Matthias Platzeck (Ministerpräsident des Landes Brandenburg),
- János Can Togay (Direktor des CHB) und
- Vertreter des Netzwerks 3te Generation Ostdeutschland

10.30 – 11.00  Vortrag: Intergenerationales Erbe
Dr. Hans-Joachim Maaz, Psychiater und Psychoanalytiker

11.15 - 12.45  Arbeit in 8 Dialoggruppen: Generationen begreifen

12.45 – 14.15  Mittagessen

14.15 - 15.45  Podiumsgespräch zum Thema: Umbrucherfahrungen und ihr Potential heute - Die Dritte Generation Ost im Dialog mit der Zweiten Generation

- Katrin Göring-Eckardt (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages) und
- Christoph Dieckmann (Journalist & Publizist)

15.45 - 16.15 Kaffeepause und Nachgemacht, eine Ausstellung von den beiden Vertretern der 3ten Generation Geis & Martin

16.15 – 18.30  Plenum: Wo steht die 3te, was ist bisher passiert, wo soll es hingehen?

18.30 – 20.00  Abendessen

20.00  Öffentliche Veranstaltung: Doku Mit dem Bus durch den Osten (2012), Regie: Gunther Scholz

ab ca. 22.00  3te Generation Tanzmusik mit DJs


Dokumentarfilm - Mit dem Bus durch den Osten...

... die Dritte Generation Ost auf Tour

Mit dem Bus tourten wir im Jahr 2012 durch Ostdeutschland. Die Hintergründe findet Ihr hier. Ein Drehteam unter der Leitung des Regisseurs Gunther Scholz dokumentierte an einigen Stationen unserer Reise.  

Das Team: Florian Lampersberger (Kamera), Nadja Smith (2. Kamera, Projektasisstenz), Mathias Kreitschmann/Velin Marcone (Ton), Chris Zschammer (Schnitt), Robert Papst (Musik), Janina Dietz (Gesang)

Der Film: 57 Minuten, HD. c) 2012

zum Trailer

Gunther Scholz über den Film:

Eigentlich sollte es ein Film über die 3. Generation Ost werden - und die Bustour darin verwoben. Keiner der angesprochenen Sender hat sich interessiert. Als der Termin immer näher kam, blieb als Rettung nur die Filmhochschule Babelsberg. Von der kam der Kameramann und die Technik und alle arbeiteten ohne Honorar. 

Schnitt und Endfertigung wurden erst durch großzügige Förderung der Landeszentrale für Politische Bildung Brandenburg möglich. 

Schließlich entstand eine unterhaltsame und informative Tour-Dokumentation über eines der ersten großen Projekte der 3. Generation Ost.  

Seine Erstaufführung feierte der Dokumentarfilm auf dem Generationstreffen 2012.

 

Bustour 2012_3te GO


Generationstreffen 2013

Transformationskompetenz

Das dritte Generationstreffen fand am 30. November 2013 im Collegium Hungaricum in Berlin statt.

Trans Form Kompetenz - ist ein relevantes Konzept für die Dritte Generation Ostdeutschland und stand im Fokus des 3. Generationstreffens. Dazu diskutierten unsere Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ihre Ansichten zu diesem Begriff. Hintergrund ist die Frage, in wie fern die "Wendekinder" durch ihr Leben in zwei unterschiedlichen politischen Systemen geprägt wurden. Im Anschluss reflektierten wir in kleinen Gruppen gemeinsam, welche Transformationskompetenzen die Dritte Generation Ost auf ihrem Lebensweg erworben hat. Wir aktivierten dieses unbewusste Wissen, um es zukünftig bewusst nutzen und aus den mitunter wechselhaften Lebenswegen lernen zu können.
Im zweiten Teil des Tages präsentierten wir beispielhaft eine Auswahl von Projekten des Netzwerks. Eine öffentliche  Abendveranstaltung des Tagesspiegels rundete den Tag ab.

Programm

09:30 Uhr
Welcome

10:00 Uhr
Begrüßung durch Can Togay (CHB), Robert Ide (Tagesspiegel), Adriana Lettrari (Netzwerkmanagement 3te GO)

10:30 Uhr
Podiumsgespräch „Transformationskompetenz“ -
Annäherungen an ein Konzept

Verschiedene Perspektiven aus dem Netzwerk 3te GO zum Begriff „Transformationskompetenz“

Teilnehmer/innen: Manuela Schwesig (tbc), Prof. Dr. Lothar Probst (Politologe), Dr. Leila Steinhilper (Systemische Beraterin), Dr. Ulrike Schulz (Unternehmenshistorikerin), Martin Koschkar (Politologe),

Moderation: Adriana Lettrari

11:30 Uhr
TransformationsRaum
Die auf dem Podium gewonnenen Impulse werden in kleinen Gruppen diskutiert und weiterentwickelt

Input: Heike Brembach (luv Beratung)

13:00 Uhr
Mittagspause außer Haus in Selbstversorgung

14:30 Uhr
Workshops zu laufenden Projekten aus dem Netzwerk 3te GO

1. Die Musealisierung der DDR nach 1989 mit Sören Marotz
und Dr. Andreas Ludwig
Veranstalter: DDR Museum

2. Ostdeutsche Unternehmen im Transformationsprozess seit 1989: Zur Frage von Generationalität und Nachfolge mit Sylvia Wölfel und Dr. Ulrike Schulz
Veranstalter: Arbeitskreis Transformationsgeschichte ostdeutscher Unternehmen

3. Die Dritte Generation Ostdeutschland: Elaboration eines Forschungsfeldes - AutorInnentreffen Publikation mit Martin Koschkar und Adriana Lettrari
Veranstalter: Wendekind gUG

Näheres zu den Workshops auf www.dritte-generation-ost.de

16:30 Uhr
Kaffeepause und bilateraler Austausch über Workshopergebnisse

17:15 Uhr
Struktur des Netzwerks 3te Generation Ostdeutschland / 3te GO
Wir wollen Euch über die Situation im Netzwerkmanagement informieren und Anknüpfungspunkte für Euer Engagement und Eure Projektideen im Netzwerk aufzeigen

18:00 Uhr
Abendessen außer Haus in Selbstversorgung

19:30 Uhr
Abendveranstaltung Tagesspiegel - öffentlich -
"Wie ostdeutsch sind wir denn immer noch? - Texte, Gedanken und Gefühle mehrerer Generationen"

Es lesen:

Robert Ide (Jahrgang 1975, Ressortleiter Berlin/Brandenburg beim Tagesspiegel) aktuelle Texte über ostdeutsche Reste im neuen Deutschland

Lothar Heinke (Jahrgang 1934, bis zur Wende Reporter bei der
Ost-Berliner Zeitung "Der Morgen", danach und über seine Pensionierung hinaus bis heute Autor von Büchern und beim Tagesspiegel) alte und neue Texte

Begrüßung: Adriana Lettrari (Wendekind gUG)
Moderation: Lorenz Maroldt (Chefredakteur des Tagesspiegel)

 

FOTO: RONNY KELLER

 

 

 

 

 

 

 

 


Third Generation Ost USA

Die Third Generation Ost - USA ist ein Netzwerk, das 2012 von Katrin Bahr und Melanie Lorek gegründet wurde.

Inspiriert durch die 3te Generation Ostdeutschland soll die Initiative als Anlaufpunkt für in den USA lebende ehemalige Ostdeutsche, sowie für deutsche und amerikanische Wissenschaftler mit Forschungsschwerpunkt DDR dienen. Unser Ziel ist es, in den USA eine Platform anzubieten, die zur gegenseitigen Zusammenarbeit an DDR relevanten Themen anregt.

Laufende Projekte sind zum Beispiel interdisziplinäre Konferenzkollaborationen, Schreibgruppen sowie Veranstaltungen in den USA zum  25. Jahrestag des Fall der Berliner Mauer 2014. Netzwerktreffen finden im Rahmen von Konferenzen statt und dienen zur Mitgliederwerbung aber auch zum gegenseitigen Austausch neuer Projektideen.

Die Third Generation Ost – USA steht nicht nur für einen offenen interdisziplinären Austausch von deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern über die DDR-Geschichte und – Erinnerung, sondern sieht ihre Arbeit auch als politisches Statement der jüngeren Generation. Es ist unser Anliegen eine Teilhabe an dem gesamtdeutschen Diskurs über die DDR für all jene zu fördern, die sich der dritten Generation zugehörig oder verbunden fühlen. In Kooperationen mit dem Netzwerk 3te Generation Ost in Deutschland erhoffen wir uns in den nächsten Jahren einen regen transnationalen Austausch in Form von Konferenzen, Besuchen und Vorträgen zwischen Deutschland und den USA anzuregen.

Kontakt: thirdgenerationost@gmail.com

Website: http://thirdgenerationost.wordpress.com/

Facebook: Third Generation Ost – USA


Zurück in Berlin: Am Ende steht ein Anfang!

10. Juni 2012 | 12:19 Uhr

 

Nach zehn Tagen kommen wir mit muffelnden Koffern und leicht apathischem Lächeln an: Tourabschluss mit Resümee, Lesungen und dem ersten EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Mitten im Wald nahe Potsdam genießen wir im Forsthaus Nordtor noch einmal eine wunderschöne sattgrüne Kulisse, bevor wir wehmütig die pinken Buchstaben der Beklebung „3te Generation Ostdeutschland“ vom Bus abziehen und Jens Försterling uns wieder in Berlin und im Alltag absetzt. „Ich hoffe, ihr werdet mit eurem Projekt noch viel bewegen. Ach, das wird schon komisch, wenn ich morgen mit einer Schulklasse losfahre und neben mir kein Kameramann mehr sitzt,“ sagt er. Wir sind gerührt.

Neben den Einblicken, die Autorin und Wendekind Andrea Hannah Hünninger uns in ihre Weimarer Kindheit gibt, wartet in Potsdam ein weiteres Highlight auf uns: Albrecht Gerber, Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg, überreicht uns einen Preis für die Initiative als beispielhaftes Demografie-Projekt. In seiner Rede geht er auf Schlagwörter ein, die ihn im Tourprogramm bewegt haben: Der selbstbewusste Titel „Teil der Lösung!“ unseres Auftakts in Schwedt, die mehrdeutige Wendung „Losmachen!“, mit der wir unsere Tour überschrieben haben, und das Motto „Hiergeblieben?!“ unseres Abends in Mittelherwigsdorf. Gerber fügte alles in einem griffigen Plädoyer zusammen: „Ihr seid Teil der Lösung, macht weiter was los und bleibt hier!“

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Schon am Tag davor, bei unserem Einzug in die Lutherstadt Wittenberg, war die Sonne endlich durch die Wolken gebrochen. Vorbei an Gauklern, Pfaffen und Mägden schlängelte sich unser Tross zur Evangelischen Akademie direkt neben der berüchtigten Schlosskirche. Die Stadt bereitete sich geschäftig auf das große Ereignis vor, das seit 1989 jedes Jahr Besucher aus der ganzen Welt anzieht: Am Wochenende feierte ganz Wittenberg Luthers Hochzeit mit der aus dem Kloster entflohenen Nonne Katharina von Bora. Überall duftete es schon nach Bratwurst, die Bierfässer wurden angezapft, auf den Bühnen in den mittelalterlichen Höfen lief der Soundcheck.

Wir trafen uns währenddessen mit Jugendlichen, arbeiteten in Workshops ihre Wünsche für die Zukunft heraus und fragten, was sich ändern müsse, damit sie bleiben – eine Frage, die uns auf der ganzen Tour von Schwedt bis nach Potsdam begleitete. Und auch in Wittenberg lautete das Ergebnis: Endlich höhere Gehälter und Löhne in den Neuen Bundesländern, bessere Jobperspektiven und mehr kulturelle Vielfalt, also mehr Freizeitprogramm für die Jugend und auch interkulturelle Angebote. Bevor wir uns ins mittelalterliche Getümmel stürzten, zogen wir geschlossen vor die „Thesentür“ um die Ecke, wo die Wittenberger Schüler ihre Forderungen aufmerksamkeitsstark proklamierten.

„Leuchtgestalten“ hinterließen Eindruck

Beim Frühstück in Wittenberg, kurz bevor unser Bus das letzte Ziel ansteuerte, zogen wir schon mal ein kurzes Fazit. Das war nicht leicht, schließlich sollten es am Ende über 1.900 Kilometer sein, die wir gemeinsam zurückgelegt haben. Was waren unsere bemerkenswertesten Erkenntnisse? Die vielen jungen Engagierten überall haben uns motiviert und inspiriert, Marie Landsberg findet ein schönes Bild für sie: „Leuchtgestalten“, die selbst in finsteren Umgebungen Strahlkraft entfalten. Und neben der Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR, etwa in der Gedenkstätte Bautzen oder auf der Leuchtenburg, bleibt uns der überall geäußerte Wunsch, die europäische Perspektive und den Austausch mit den osteuropäischen Ländern zu stärken, im Gedächtnis.

Die Oberlausitz und das Erzgebirge haben die stärksten Eindrücke hinterlassen, da waren sich viele einig. Maria Wiesner von der FAS hatte den richtigen Riecher, als sie mit Schlafsack in Bus und Abenteuer einstieg, um in der Kulturfabrik Mittelherwigsdorf und in den Sommerzelten hoch oben auf der Bergwiese von Pobershau unter strahlendem Vollmond mit uns zu übernachten. Ihre Reportage ist heute pünktlich am ersten Tag nach der Tour in der Zeitung.

Die Eindrücke müssen sich jetzt erst einmal setzen, die Ergebnisse der vielen Podiumsdiskussionen, Lesungen, Workshops, Hintergrund-, Markplatz- und Lagerfeuergespräche resümiert und die neuen Kontakte zusammengetragen werden. Da machen wir mehr draus! Eines stand am Ende längst fest: Der Mannschaftsgeist stimmte, das Durchhalten hat sich gelohnt und die Tour war – wenn auch nicht immer einfach – am Ende ein Erfolg. Und eigentlich ist das Ende auch kein Ende, sondern ein Anfang. Wie das 1:0 gegen Portugal an diesem Abend.


Fotos und Text: Sabine Weier

 

 


Friede, Freude, Eierkuchen?

7. Juni 2012 | 17:53 Uhr

 

Ein Mobiltelefon nach dem anderen meldet tschechisches Netz, Alexander Fromm pfeift Gruselmelodien durchs Busmikrofon, links und rechts zieht der dunkle Wald vorbei und auf dem Busthermometer beobachten wir beunruhigt, wie die Temperatur Grad um Grad abfällt. Wir sind im Erzgebirge. Auf der Naturschutzstation Pobershau werden wir in „Sommerzelten“ schlafen, droht der Tourplan. Kay Meister begrüßt uns. Er trägt Filzhut und Vollbart, ist der einzige Grüne auf weiter Flur – bei der lokalen Bevölkerung stößt er auf Vorurteile, erzählt er uns später beim gemeinsamen Abendessen. Er hat in Jena Biologie studiert und dort noch ein paar Jahre gelebt. Nach zehn Jahren zog es ihn aber wieder in seine schöne Heimat, wo er als Lehrer arbeitet und die Vielfalt der Flora und Fauna erforscht. Was die Natur angeht: ein Paradies.

Aus dem in Rübenau angesiedelten Sägewerk kommen die Arbeiter mit 700 Euro nach Hause, viele Einwohner sind auf Hartz IV, darunter auch Jugendliche ohne Schulabschluss. Für die 950 Einwohner stehen drei Altersheime bereit. Noch nicht einmal in den lokalen Kneipen sei mehr etwas los, man trinke sein Bier am liebsten vor dem Fernseher. Plastikflasche und Digital-TV. Uff! Ein düsteres Bild zeichnet sich, als wir selbstgemachte Kräuterlimonade im Haus der Kammbegegnung trinken. Der frisch zertifizierte Qualitätswanderweg scheint der einzige Lichtblick über der atemberaubenden Landschaft um Rübenau zu sein – der verspricht mehr Touristen.

Kay führt uns über die blühende Bergwiese, lässt uns wilde Kräuter probieren und erzählt uns von seinen Projekten. Er hat zusammen mit Babette Schreiter den Naturschutzverein „Natura Miriquidia“ gegründet, engagiert sich für eine deutsch-tschechische Kita und bietet Schülerfreizeiten an – dafür sucht er übrigens immer wieder interessierte junge Leute, die für ein paar Wochen im Sommer mitmachen. Wir sind restlos begeistert. Doch auch Kay wird seine Heimat wohl wieder verlassen, sagt er, wenn seine Kinder ins Schulalter kommen.

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München des Ostens?

Nach einer Nacht mit Bodenfrost steigen wir wieder in den Bus. Und spannen den größten Bogen der gesamten Tour. Im florierenden Jena treffen wir uns mit der Dezernentin für Stadtentwicklung Katrin Schwarz, weiteren Politikern und Gründern, und fragen, was andere ostdeutsche Städte von Jena lernen können. Schon der massive Berufsverkehr, die vielen Studenten und interessierten jungen Menschen, die wir auf dem Marktplatz treffen, signalisieren: Hier ist richtig was los. Paradiesisch?

„Wissenschaft und Wirtschaft" lautet das Erfolgsrezept der Stadt. Absolventen werden zu Unternehmern und bleiben in Jena. Am Abend geht es im Volksbad dann auch vor allem um die „Luxusprobleme“ der Stadt, die von allen Seiten neidisch beäugt wird. Jena muss dringend Wohnraum schaffen, erklären die Podiumsgäste. Und Jena soll nicht das München des Ostens werden, da ist man sich in der schwarz-rot-grünen Koalition und auch darüber hinaus einig. Die Einkommenssituation in Jena sei aber ohnehin eine ganz andere als in München, merkt noch jemand an.

Der junge Martin Michel von der Partei „Die Guten“ findet dann doch noch ein Haar in der Suppe: Da Jena kaum Leerstand habe, sei es nicht attraktiv für Künstler und Kreative, die Szene wandert nach Dresden, Leipzig und Berlin ab. Auch aus dem Publikum meldet sich jemand zu Wort: Neuer Wohnraum entlaste nur kurzfristig, Elitenbildung und Segregationsprozesse seien vorprogrammiert, das mache Jena unattraktiv, wer wolle dann noch hier wohnen?

Friede, Freude, Eierkuchen ist eben doch nicht überall. Umso schöner ist es, dass wir überall auf junge Leute treffen, die etwas anpacken – egal ob in einem abgelegen Ort in den Bergen oder in einer boomenden Stadt in bester mitteldeutscher Lage wie Jena. Auch in Halle, wo wir am nächsten Tag Vertreter von Attack, Greenpeace, den Heldentagen, dem Preißnitzhaus e.V., der Bürgerstiftung und der Universität kennenlernen, treffen wir auf Pragmatismus und Mut. Ist es das, was die dritte Generation Ostdeutscher ausmacht? Wir bleiben dran.

Fotos und Text: Sabine Weier


„Bei den letzten 20 Prozent Wirtschaftsrückstand stoßen wir an Grenzen“

6. Juni 2012 | 19:32 Uhr

 

Dr. Christoph Bergner, Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, diskutiert am 7. Juni 2012 in Halle mit Vertretern der 3ten Generation Ost und Dr. Jutta Günther vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zur Frage: „Kann Ostdeutschland auch ohne Förderung?“. Im Interview haben wir schon mal vorgefühlt und auch nach den Erfahrungen der Familie Bergner gefragt.

Was gehört als Beauftragter für die Neuen Bundesländer zu Ihren Aufgaben?

Beauftragte gibt es für verschiedene Sachverhalte, die Rolle besteht darin, an allen Fragen und Entscheidungen der Bundesregierung, die diesen Sachverhalt betreffen, beteiligt zu sein. Also in meinem Fall an Entscheidungen, die eine besondere Relevanz für Ostdeutschland haben. Darüber hinaus habe ich regelmäßig den Bericht zur Deutschen Einheit für das Parlament vorzulegen und natürlich zu diskutieren. Und der Beauftragte für die Neuen Länder ist Ansprechpartner für die Anliegen der ostdeutschen Landesregierungen.

Sie befassen sich vor allem mit der wirtschaftlichen Entwicklung. In Sachen Wirtschaftskraft liegen die neuen Länder hinter den alten zurück, wird das so bleiben?

Die Frage der wirtschaftlichen Angleichung des Ostens an den Westen war und ist die Schlüsselfrage des Aufbaus Ost. In dieser Hinsicht haben wir in den zurückliegenden 22 Jahren sehr viel erreicht. Bei den letzten 20 Prozent Wirtschaftsrückstand stoßen wir an Grenzen, die strukturelle Ursachen haben. Im Osten fehlen die großen Konzernzentralen. Mit diesen Zentralen sind hochwertige Dienstleistungsaufträge sowie hohe Gewinn- und Einkommensabrechnungen verbunden, die sich in der Steuerkraft widerspiegeln – und nicht zuletzt auch die großen wirtschaftseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.

Auf der anderen Seite werden ja Konzerne und auch mittelständige Unternehmen in einigen Regionen langfristig Probleme haben, ihre Stellen zu besetzen. Viele junge Menschen verlassen ihre Heimatorte. Ist die „Vergreisung“ noch zu stoppen?

Das ist ein gesamtdeutsches Phänomen. Wir haben in ganz Deutschland keine nachhaltige Geburten- und Nachwuchsentwicklung. Dieser Effekt der Überalterung hat sich in ostdeutschen Ländern durch die Abwanderung der 1990er Jahre verstärkt, die Geburtenrate hat sich im Osten halbiert. Das verschärft im Durchschnitt die Verhältnisse in den neuen Ländern, aber auch innerhalb Ostdeutschlands gibt es enorme Unterschiede. Wir haben ja auch viele für die Jugend attraktive Standorte, dort stellt sich auch die Alterstruktur ganz anders dar. Wir müssen uns der gesamtdeutschen Herausforderung „Demografie“ stellen.

Müssen auch neue Konzepte zur Förderung der Immigration entwickelt werden?

Von der Zuwanderung nach Deutschland ist der Osten in den vergangenen Jahren vergleichsweise wenig betroffen gewesen. Selbst die Zuwanderung aus unseren östlichen Nachbarländern ist mehr in die Zentren des Westens gegangen. Aber prinzipiell glaube ich, gerade mit Blick auf die östlichen Nachbarn, sollten wir uns auf mehr Offenheit und Integration in den gesamteuropäischen Arbeitsmarkt einstellen.

Wo liegen die Stärken der Neuen Bundesländer?

Die Neuen Bundesländer weisen Besonderheiten auf, die gerade für junge Menschen attraktiv sind. Ostdeutschland ist von den Transformationsstaaten des Ostens nach 1990 die am weitesten fortgeschrittene Region, bei der die Strukturen, etwa die Rechtssicherheit und westeuropäische Standards, zuerst erreicht wurden. Aber sie sind natürlich gleichzeitig noch von den Transformationsereignissen gekennzeichnet, zum Beispiel in Wirtschaft oder Infrastruktur. Ostdeutschland ist die Transformationsregion mit den stärksten Fortschritten und deutlichsten Resultaten.

Sie haben selbst drei Kinder. Gehören sie zur dritten Generation Ostdeutscher, sind sie also ca. zwischen 1975 und 1985 geboren?

Jahrgang 79, 83 und 85 – das passt also genau.

Was hat die Wendeerfahrung und das Aufwachsen in „zwei verschiedenen Ländern“ ihnen aus Ihrer Sicht mitgegeben? Und: Ist das in der Familie Bergner Thema?

Ja, Thema ist das natürlich. Unsere Kinder nahmen aufmerksam Anteil, vor allem am Transformationsprozess, den wir – meine Frau als Stadträtin und ich im Landtag und später im Bundestag – zu bestehen hatten. Also Themen wie den Aufbau neuer Hierarchien an Schulen, Hochschulen, in Politik und im öffentlichen Leben. Aus der Elternperspektive fällt mir außerdem auf, dass die Erinnerung an die politische Situation in der DDR inzwischen mit einer gewissen spöttischen Distanz gesehen wird, jedenfalls frei von jeder Nostalgie. Als mal eine CD mit FDJ- und Pionierliedern kursierte, hörten unsere Kinder das eher so, als wäre das irgendeine Kabarettvorstellung. Ansonsten ist die Freiheit einer offenen Gesellschaft zur Selbstverständlichkeit geworden. Wir müssen dann schon manchmal nachfragen, ob sie denn nicht wüssten, was es bedeutet, ohne Grenzkontrollen durch Europa zu reisen, oder dass sie ihre Praktika in Afrika oder Papua Neuguinea machen können. Das war für uns natürlich unvorstellbar.

Illustration: Alexander Fromm, Interview: Sabine Weier


„Unsere Generation muss jetzt klar formulieren, was sie will"

5. Juni 2012 | 15:56 Uhr

 

Als Dezernentin für Stadtentwicklung gestaltet Katrin Schwarz Jena mit, eine der aufstrebenden Städte in Ostdeutschland. Wie können wir von Jena lernen? Dieser Frage geht die Podiumsdiskussion am 6. Juni 2012 nach, wenn der Bus der 3ten Generation Ost Station an der Saale macht. Im Interview gibt Katrin Schwarz schon mal Einblicke in ihre Arbeit, die Entwicklung der Stadt und ihre persönliche Sicht auf die dritte Generation Ostdeutscher.

Sie sind Jahrgang 1972, waren also noch recht jung, als die Mauer fiel. Die Initiative 3te Generation Ost setzt sich damit auseinander, wie die Sozialisierung in zwei Systemen Menschen geprägt hat. Wie denken Sie darüber?

Beide Systeme erlebt zu haben, empfinde ich als Vorteil. Möglicherweise sind wir mit den ganz großen Visionen nicht mehr ganz so leicht einzufangen. Wir sind pragmatisch und zielstrebig – das erlebe ich auch viel im Freundeskreis. Es ist schon eine einmalige Situation für ein Land, eine Generation zu haben, die beide Erfahrungen mitbringt. Ich begrüße es sehr, dass wir jetzt anfangen, das zu diskutieren. Für mich hat die Initiative nichts damit zu tun, alte Klischees wieder aufzuwärmen. Das wäre fatal. Aber man kann diese Generationserfahrung – geboren in der DDR und aufgewachsen in der Bundesrepublik – durchaus nutzen, um auch Fragen an die eigene Elterngeneration zu formulieren.

Was würden Sie in den Diskurs über die dritte Generation einbringen?

Ganz klar einen Aufruf zu mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Unsere Generation muss erwachsen werden und klar formulieren, was sie will. Wie stellen wir uns Partizipation vor? Was für ein Politikverständnis haben wir? Wie wollen wir an diesen Prozessen teilhaben? Und gerade in meinem Bereich der Stadtentwicklung: Welche Wohnformen wollen wir? Wie stehen wir zur Frage der Wohneigentumsbildung? Das sind Themen, die mich beruflich beschäftigen. Und ganz privat habe ich mir natürlich schon die Frage gestellt, ob ich wieder zurückkommen soll. Ich bin in Jena aufgewachsen, war dann aber viele Jahre unterwegs, habe Architektur am Bauhaus Weimar studiert, meinen Master in Oxford gemacht und in Frankfurt am Main mein zweites Staatsexamen im Städtebau für den höheren Dienst abgelegt. Das sind Erfahrungen, die mich persönlich stark geprägt haben.

Und wie war es dann, nach Jena zurückzukommen?

Es war nicht ganz einfach, aber die Dynamik, die wir hier in der Stadt haben, macht vieles sehr interessant. Es geht ja vor allem darum, neue Wege auszuprobieren. Jena ist eine alte gewachsene Stadt mit einer hohen Akademikerquote, das war schon immer so. Auch die hier entstandenen Industrietraditionen, etwa Schott, Zeiss und Jenoptik und heute eben auch e-Commerce-Firmen und der ganze Bereich der Biotechnologie. Dadurch sind bestimmte Wege vorgezeichnet, wie auch durch die große Universitätstradition. Wir leben ganz maßgeblich von dieser Substanz. Hier knüpfen wir an, aber dies reicht natürlich nicht. Im Vergleich zu anderen ostdeutschen Kommunen verzeichnen wir hier auch ein leichtes Bevölkerungswachstum. Die Universität entwickelt sich toll und wächst, in den kommenden Jahren wollen wir gemeinsam mit der Universität einen neuen Campus bauen.

Woran liegt es, dass so viele junge Menschen sich für ein Studium in Jena entscheiden?

Auf der einen Seite liegt das natürlich an dem hochwertigen Angebot der Universität. Und die Lebensverhältnisse sind hier sehr angenehm. Es ist nicht Berlin oder München, die Stadt ist überschaubar, das kann gerade für Studierende sehr von Vorteil sein. Dazu kommt die florierende Gründerszene. Viele Errungenschaften der Forschung münden direkt in kleinen Start Ups. Dafür ist das Klima hier sehr gut und wir als Stadt tun auch eine ganz Menge dafür, dass es sich so weiterentwickelt.

Welche Herausforderungen kommen in den nächsten Jahren auf Jena zu?

In meinem Arbeitsgebiet sind wir vor allem mit Herausforderungen im Bereich Wohnungsbau konfrontiert. Wir sind eine wachsende Stadt, haben aber nicht viel Fläche, gerade entwickeln wir Konzepte, um dem zu begegnen. Ein spannendes Objekt mit Wohnraum und Läden setzen wir jetzt mit „J. Mayer H.“ um, das ist ein sehr renommiertes Architekturbüro. Die Fassadengestaltung wird spektakulär, das hatten wir hier in Jena noch nicht. Wir beschäftigen uns gerade auch mit dem Thema Eigentumsbildung – das könnte für die Weiterentwicklung des Standortes noch sehr wichtig sein. Gerade im Vergleich zu vielen westdeutschen Kommunen haben wir hier Nachholbedarf. Eine wichtige Frage ist auch, ob es gelingt, Fachkräfte mit ihren Familien zu halten oder anzuwerben. Auch an Jena geht der demografische Wandel nicht spurlos vorbei. Letztlich geht es um ein friedliches Zusammenleben aller Generationen.

Illustration: Alexander Fromm, Interview: Sabine Weier


Sorbische Metalbands und Pizza im Haus Schminke

5. Juni 2012 | 15:30 Uhr

 

Ob sich eine Rockband wohl auch so fühlt? Das fragen wir uns nach sechs Tagen im Bus. Ausreichend Presse ist jedenfalls an Board. Neben Ulrike Nimz von der Freien Presse, die ganze acht Tage mitzieht und regelmäßig berichtet, sitzt mal jemand von Zeit Online mit am Tisch, mal eine Spiegel-Reporterin mit im Bus. Eine junge Journalistin der FAS kommt gleich mit Schlafsack nach Bautzen und übernachtet mit uns in Mittelherwigsdorf und in Pobershau – zwei Orte abseits der ostdeutschen Zentren, in denen sich trotzdem einiges tut.

In Zossen gießt es in Strömen, als wir uns mit Swantje Tobiassen von der Amadeu Antonio Stiftung und den Skatern der Stadt treffen. Sie zeigen uns selbstgebaute Mini-Skateparks in abgelegenen Winkeln, den Lidl-Parkplatz, auf dem sie ihre ersten Versuche starteten und die große Profi-Rampe, die sie mithilfe gesammelter Gelder aufziehen konnten – Hut ab! Nach einem Austausch mit den Initiativen vor Ort, einem Besuch in der Bücher-und Bunkerstadt, einer urigen Übernachtung und Frühstück im Keglerheim verlassen wir Neubrandenburg in Richtung Sachsen.

Nachdem wir uns in Bautzen das Kulturzentrum Steinhaus angeschaut haben, teilt sich die Gruppe. Sven Riesel führt eine Hälfte durch den ehemaligen Stasiknast, die andere Hälfte trinkt starken Kaffee im Büro von Clemens Škoda und spricht über sorbische Metalbands und weltweites Netzwerken. Noch am Nachmittag schlängelt sich unser Busfahrer Jens Försterling, dem wir an dieser Stelle mal ein dickes Danke aussprechen, mit uns durch die absurd schmalen Straßen der Oberlausitz und bringt uns sicher zur Kulturfabrik Meda, die eine Gruppe von Leuten aus ganz Deutschland in ihrer Wahlheimat Mittelherwigsdorf betreibt.

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Das „neue Selbstbewusstsein Ost“

Mit über 30 Gästen aus Orten wie Görlitz oder Zittau diskutieren wir in den wunderschönen Räumen der Kulturfabrik Meda über die Visionen der dritten Generation in der Region. Dabei geht es auch mal etwas kontroverser zu und das ist gut, schließlich sind wir auch unterwegs, um eine Debatte zu entfachen. Und um Ideen und Tipps einzusammeln, wie den zum Buch „Phase 0 – How to make some action“, in dem Macher aus der dritten Generation Projekte wie Festivals oder Clubs vorstellen. Beim Grillen am Abend kommt wieder ein Gefühl auf, das in den vergangenen Tagen schon viele geschildert haben: Das „neue Selbstbewusstsein Ost“ einer Generation, die ihren Weg selbstständig geht und etwas bewegen will.

Am nächsten Morgen, viel früher als Rockbands losfahren würden, geht’s weiter nach Löbau, wo wir uns das Haus Schminke anschauen – eine echte Architektur-Perle. Der Löbauer Nudelfabrikant Fritz Schminke ließ es in den 1930er Jahren von Hans Scharoun entwerfen. Es gießt immer noch. Aber die Atmosphäre hier ist ohnehin so angenehm, dass wir uns für ein paar Stunden einnisten, Pizza bestellen, netzwerken, schreiben. Johannes Staemmler haut währenddessen in die Tasten des Klaviers, an dem früher eine der Schminke-Töchter spielte. Als sein Blues durch die moderne Wohnlounge hallt, stellt sich noch mal das Rockstar-Feeling ein. Und dann geht’s weiter in Richtung Pobershau.

Fotos & Text: Sabine Weier